Hinter dem Cover zur Remix-EP von Maschineries In Your Eyes steht Sabina Hemme, ihrerseits Gründerin von Aikona Illustration. Die gelernte Modedesignerin und Maßschneiderin ist von Beginn an verantwortliche Grafikerin und Illustratorin unseres Labels. Mit ihren stets feinen Umsetzungen der Artworks steht sie insbesondere für den hohen Anspruch unserer künstlerischen und ganzheitlichen Gestaltung.
Wir treffen uns bei ihr im Büro – ein weiß gestrichener, schlichtgehaltener und heller Raum. Die Mittagssonne verteilt ein angenehmes, natürliches Licht um uns. Draußen erkenne ich am nahen Horizont den Waldrand. Die sanft-beruhigte Atmosphäre des Schwarzwaldes ist bis hier am Schreibtisch zu spüren. Wir trinken einen Espresso und ein Glas Wasser, setzen uns an ihren Arbeitsplatz und beginnen mit unserem Gespräch.
Max Brenner: Sabina, es ist mir eine Freude, dass es mit unserem Treffen heute klappt. Momentan wohnst und arbeitest Du hier in einem kleinen Dorf im Schwarzwald. Was macht diesen Ort so besonders für Dich?
Sabina Hemme: Ich finde es schön, dass es wirklich abgeschieden ist, man hat einfach unglaublich viel Natur um sich herum. Die Landschaft hier ist wunderschön, besonders natürlich der Wald, der uns hier quasi einrahmt. Das lenkt mich persönlich weniger ab von anderen Aktivitäten. Ich kann mich so besser auf Projekte fokussieren, die ich umsetzen möchte – ich bin definitiv mehr bei mir, wenn ich hier bin. Ich kann hier abends spazieren gehen, wenn ich nochmal etwas Anderes sehen möchte oder ich mich nach Ruhe sehne – für mich bedeutet es Erholung, hier zu sein.
Was inspiriert Dich hier? Was nimmst Du dabei konkret für Deine Arbeit mit?
Ich glaube es ist diese gesamte Schwarzwaldstimmung. Das zum Teil Dunkle, aber auch Geborgene spielt auf jeden Fall eine Rolle. Das beeinflusst einen als Menschen, wenn man so aufwächst und so lebt und das spielt letztendlich definitiv in die Arbeit mit rein. Auch im Bezug auf die botanischen Motive, die ich sehr gerne habe und mit welchen ich mich viel beschäftige. Dort kann ich die Natur mit einfließen lassen und lasse mich gleichsam von ihr inspirieren.
Du hast zwei Ausbildungen gemacht: eine zur Modedesignerin und eine zur Maßschneiderin. Nach Deiner Lehrzeit hast Du bei der Schweizer Luxusmarke Akris gearbeitet. Was konntest Du dort an Erfahrungen für Dich mitnehmen? Inwiefern hat Dich diese Zeit geprägt?
Ich habe die Ausbildungen parallel gemacht. Das war für mich eine schöne Kombination, weil sich beide bedingt haben – das Praktische mit dem Design und dem Gestalterischen. Ich habe unglaublich viel gelernt, insbesondere handwerkliche und gestalterische Fähigkeiten. Während der Ausbildungen konnte ich in die Tiefe gehen, neue Wege gehen, mich versuchen – es war eine Zeit des Ausprobierens und es hing noch nicht so viel an einem, wenn man etwas falsch gemacht hat. Während der Zeit in der Schweiz habe ich viele Erfahrungen sammeln können. Besonders die Menschen dort stehen zu lassen, wo sie sind, Wege zu finden, wie man miteinander auskommt und miteinander arbeiten kann: Das zu lernen war unglaublich wichtig für mich.
Seit kurzem bist Du mit Aikona Illustration auf dem Weg zur Selbstständigkeit. Wie kam es dazu, dass Du diesen Weg gewählt hast? Wofür steht Deine Illustrationsmarke? Welche Vision siehst Du darin?
Mein letzter Job, den ich in der Schweiz hatte, hat eigentlich dazu geführt, dass ich den Mut hatte, jetzt etwas Eigenes zu machen. Es war sehr spannend, in diese luxuriöse Welt – die ja schon auch eine Scheinwelt ist – Einblick zu bekommen, aber sie hat mich auch dazu gebracht, mich damit nochmal kritisch auseinanderzusetzen. Natürlich mag ich es, wenn die Dinge in einem schönen Rahmen sind, aber noch mehr mag ich es, wenn zudem wirklich etwas dahintersteckt!
Und das ist auch der Leitsatz von dem, was ich jetzt mit Aikona Illustration machen möchte: Ich möchte schönen Dingen, die Substanz haben, ein passendes Erscheinungsbild geben. Generell geht es mir darum, Artworks zu gestalten, um damit die Wertigkeit der jeweiligen Produkte sichtbar zu machen, sodass sie ganzheitlich wirken können. So können sie ihre Wirkung in bester Art entfalten. Dabei spielt meine Inspiration, welche ich mir besonders in der Natur hole, eine bedeutsame Rolle, dort sehe ich sozusagen das Ideal, formvollendet.
Wie näherst Du Dich künstlerischen Projekten? Hast Du eine bestimmte Vorgehensweise oder gewisse Arbeitsschritte, auf die Du jeweils zurückgreifst?
Generell setze ich mich zunächst intensiv mit dem Produkt auseinander: Was beinhaltet es, welche Stimmung löst es in mir aus, welche Emotion soll transportiert werden, was ist das Besondere und Charakteristische daran? Ich frage mich, was bei den Betrachtenden des Artworks ausgelöst und was sichtbar gemacht werden soll. Ist es die Stimmung oder der Inhalt oder der Schaffensprozess des Produkts an sich? Inspiration finde ich oft in der Natur, genauer gesagt in ihrer Schönheit und Sinnhaftigkeit; zudem in Gesichtern, in unterschiedlichen Orten, Lichtverhältnissen und auffälliger Farbigkeit. Ich schaue, was ähnliche Empfindungen in mir auslösen. Diese Assoziationen sind oft der erste Schritt zur Entstehung eines Artworks und dienen mir quasi als Ausgangspunkt. Ich mag es, mit diesen Komponenten zu spielen, sie wirken zu lassen und daraus etwas Neues entstehen zu lassen.
In Deinen Werken vereinst Du diverse künstlerische Herangehensweisen. Was gefällt Dir an der Kombination aus digitaler und analoger Arbeitsweise?
Das Analoge braucht einfach viel mehr Zeit, in dem Sinne, dass ich mir Gedanken machen muss, was ich wirklich erschaffen möchte. Weil ich plane es, arbeite dann dran und anschließend ist es so, wie es ist. Wenn es nicht gut geworden ist, muss ich nochmal viele, viele Stunden reinarbeiten, was aber natürlich dem Ganzen auch eine Wertigkeit gibt. Ich finde, dass Zeitaufwand auch definitiv etwas ist, was das Produkt wertvoll macht – das ist die eine Seite. Das Digitale wiederum hat den Vorteil, dass ich viel mehr ausprobieren kann. Ich kann auch mal etwas versauen und es dann mit einem Klick wieder korrigieren. Der Vorteil des einen ist der Nachteil des anderen. Es bedingt sich und ich finde es schön, eine Kombination davon zu nutzen, weil wir diese Möglichkeiten haben. Man sollte das Beste aus beidem hervorholen – es macht mir Freude, mich in beidem auszuprobieren und Innovatives zu erschaffen.
Für die vor zwei Jahren erschienene In Your Eyes Single hast Du bereits das Cover gemacht. Was hat Dich damals inspiriert? Wie gefällt Dir die Musik von Maschinerie?
Maschinerie ist für mich definitiv eine besondere Musikgruppe. Ihre wirklich schönen Melodien sind immer melancholisch angehaucht, was mich persönlich sehr berührt.
Damals bei dem Cover – das war ja die erste Veröffentlichung von Maschinerie – haben wir besprochen, dass man vielleicht auch ein Zeichen setzt, was Maschinerie an sich ist und unser Gedankengang war es, dieses Charakterisierende herauszuarbeiten. Das Artwork hat das mit Bleistift gezeichnete Gesicht, eine Art von Maske aus digitalen und fiktiven Instrumenten, wie eine Wundermaschine irgendwie, die da drüber liegt und das Gesicht dann definiert. Es sind also nicht nur bloß diese zwei Lieder, sondern auch ein bisschen Maschinerie, im wahrsten Sinne des Wortes.
Beim aktuellen Cover für die Remix-EP nimmst Du gewisse Elemente des ersten Covers auf, welche Du weiterentwickelst und quasi transformierst. Was hat Dich dazu bewogen? Welche Gedanken hattest Du dabei?
Die jetzige Veröffentlichung zeigt die Entwicklung aller Beteiligten: Es ist die erste Vinyl-Veröffentlichung über Weitblick. Gleichsam wurde künstlerisch nochmal mehr in die Tiefe gegangen und geschaut, welche Details noch verstärkt herausgearbeitet werden sollen, über die Musik bis hin zum Cover.
Das habe ich probiert zu veranschaulichen. Die eigentliche Idee, dass es ein Ausschnitt, praktisch dieses Auge sein wird, die stand recht schnell – alles andere war ein langwieriger Prozess, weil ich viel ausprobiert habe. Nach verschiedenen, auch einer farbigen Version, haben wir uns letztendlich doch für das Schlichte entschieden und es ist eben dieser Fokus, so wie es auch mit den Liedern gemacht wurde. Im Artwork ist also praktisch der Prozess umgesetzt, der mit den Liedern gemacht wurde: So kann man, wenn man will, bei den Liedern und im Cover viel Neues entdecken, insbesondere viele neue Details.
Das Cover ist durch das Augenmotiv zweigeteilt: Auf der einen Seite ist ein fein detailliert ausgearbeitetes Auge zu erkennen, welches einem stilistisch gezeichneten gegenübersteht. Wie kamst Du auf diesen Einfall? Was bedeuten die unterschiedlichen Darstellungen für Dich?
Auf der Platte sind zudem noch die zwei Remixe, die im Gegensatz zu den poppigen neu gemischten Original-Versionen stehen. Diesen Kontrast wollte ich im Cover auch mit aufnehmen: Das „analog“ und mit Bleistift gezeichnete Auge, findet sich auch auf der Plattenseite der poppigen Originale wieder. Dem gegenüber steht das „digitale“ Auge, welches dieses Technoide, Starre und Mechanische der Remixe symbolisiert. Und dass beide Augen auf dem Cover so übereinanderliegen, repräsentiert am Ende dieses Kontrast- und Spannungsverhältnis.
Das Cover ist äußerst detailreich ausgestaltet und hat – wie ich mitbekommen habe – einen langwierigen Entstehungsprozess durchlaufen. Gab es währenddessen Herausforderungen? Und wenn ja, welche?
Es gab tatsächlich diese Punkte, an denen ich nicht mehr weiterkam: Und zwar war die ursprüngliche Idee, dass man die Stimmung durch die Farbe einfängt. Das heißt, die erste Version des jetzigen Covers war bunt. Leider kam aber beim Probedruck die Stimmung, die ich mir gewünscht hatte, überhaupt nicht raus. Nach viel Mühe haben wir das dann sozusagen abgesägt und letztendlich sind wir noch einmal ganz zurück zum Ursprünglichen gegangen und haben uns gefragt, in welcher Art wir es reduziert am besten, feinsten und saubersten darstellen können. An diesem Punkt sind wir immer mehr in die Tiefe gegangen. Nach einigen Überarbeitungen und vielem Nachdenken glaube ich aber letztendlich, dass es sich wirklich gelohnt hat.
Du hast bereits andere Cover für Weitblick Records gestaltet. In Your Eyes (Remixed) ist die erste Vinylveröffentlichung. War es ein anderes Gefühl, dafür das Cover zu erschaffen?
Auf jeden Fall! Das war definitiv anders – mehr Aufregung, könnte man sagen. Ich glaube, später ein physisches Produkt in den Händen zu halten und das auch zu wissen beim Schaffensprozess, war das Entscheidende; am Ende erreiche ich die Leute damit quasi direkter und in gewisser Weise „fühlbar“.
Wo wird die Platte bei Dir stehen? Hast Du Dir schon einen besonderen Platz dafür ausgesucht?
Ich habe eine Kommode, wo immer verschiedene Bilder oder Skulpturen stehen, die mich gerade bewegen oder mir gefallen, quasi wie eine Wechselausstellung. Da wird die Platte sicherlich ihren Platz finden.
Nach unserem Gespräch machen wir gemeinsam einen Spaziergang. Über einen kleinen Feldweg gelangen wir in den Wald. Die Ruhe, die ich eben noch vom Büro aus wahrgenommen hatte, ist hier noch bedeutend intensiver: Zusammen mit der klaren und leicht nach Tannen duftenden Luft, umgibt uns eine wohlige Atmosphäre. So laufen wir gemütlich einen leicht hügeligen Weg entlang. Wir begegnen niemandem, alles wirkt beruhigt und friedlich in natürlicher Weise. Aus der Entfernung ist in unregelmäßigen Abständen Vogelgezwitscher zu hören, dazu weht eine leichte Brise und bewegt die dichtstehenden Baumkronen um uns. Als wir zurückkommen, ist es bereits Nachmittag. Auf dem Weg nach Hause lasse ich das Gespräch wirken und meine, die von Sabina angesprochene typische Schwarzwaldstimmung, insbesondere das wohlig-geborgene Gefühl, nachempfinden zu können.