Für die Single When I’m With You hat sich Max Brenner mit Saive zusammengesetzt und ihn nach seinen persönlichen Produktionstricks und Lieblings-Plugins gefragt. Achtung an alle Produzentinnen und Produzenten da draußen: Aufgepasst, hier gibt es was zu lernen!
Aber vorweg erst einmal ein paar Worte zu Saive: Der Hannoveraner Produzent Vincent Sager hat in den letzten Jahren auf äußerst namhaften Labels wie Steyoyoke, A Tribe Called Kotori, Serafin Audio Imprint, Stil vor Talent oder Lost on You veröffentlicht. Seine Produktionen sind stilistisch sowie klanglich sehr vielseitig – über gemächlich wabernde Downtempo-Grooves, kräftigen Synthesizern bis hin zu sphärisch-verträumten und melodiösen House- und Technostücken.
Hey Vincent! Freut mich, dass es mit unserem Gespräch klappt – auch, wenn es jetzt nicht persönlich stattfinden kann. Wir machen einfach das Beste draus, würde ich sagen.
Zum Anfang eine knappe Einleitung: Seit wann produzierst Du? Wie kamst Du zur elektronischen Musik? Erzähle mir mehr zu Deinem musikalischen Hintergrund.
Gute Frage: Also ich habe mit 14 Jahren das erste Mal angefangen, mit Platten aufzulegen, ab 15 kam dann das Produzieren dazu. Ich habe angefangen und wusste nicht einmal, was Harmonielehre ist … so habe ich begonnen und bin jetzt natürlich auf einem ganz anderen Level. Aber ich muss schon sagen: Das Meiste mache ich auf jeden Fall nach Gefühl, ich kann jetzt nicht sagen, ich mache jetzt irgendwie F-Dur mit der 7. oder der 9. oder sowas, keine Ahnung, da lasse ich die Finger davon – ich mache alles aus der Intuition heraus.
Ich glaube, dass das extrem wichtig ist, weil du ja dadurch auch deinen Stil entwickelst und so auch deine Erkennungsmerkmale. Weil wenn du nur danach vorgehst, was du weißt – okay die Chord-Progression ist gut, die wird funktionieren –, dann wirst du niemals an dich selbst herankommen und dich weiterentwickeln, glaube ich.
Wo produzierst Du? Im Homestudio oder in einem externen Raum?
Also eigentlich genau da, wo ich gerade sitze [lacht] – [zeigt mit der Webcam den Tisch] also hier ist ein Monitor und hier ist ein Monitor – und das war’s schon. Sonst habe ich noch ein Midi-Keyboard, mehr ist es nicht.
Deine Produktionen klingen – neben viel Melodie und durchaus auch relativ kräftigen Synthesizern – sehr atmosphärisch und „organisch“. Wie näherst Du Dich diesen Klängen und Atmosphären an? Was sind Deine – ich sage mal – „Evergreens“?
Ich würde schon sagen, das, was mein Produzieren am meisten verändert hat, war das Ausprobieren von vielen Samplepacks; am Ende bin ich dann bei Keinemusik gelandet – die beiden Samplepacks, eins von David Mayer und eins von Rampa – und dann noch eins von Florian Busse von Connected, das sind so die Go-To-Dinger: Wenn du die hast, hast du eigentlich direkt organische Grooves, weil die Samples so gut sind und du daraus machen kannst, was du willst.
Da ist jetzt kein großes Geheimnis, die haben ja quasi die ganzen Recording-Arbeiten gemacht für dich; und du kaufst es ja und kannst es benutzen – das ist natürlich ein großes Privileg.
Dann produzierst Du also ausschließlich digital. Worin siehst Du die konkreten Vorteile im digitalen Produzieren?
Ich glaube, das liegt daran, dass ich aus geldtechnischen Gründen digital angefangen habe. Es wäre einfach eine krasse Umstellung, jetzt zu sagen, ich hole mir analoge Synthesizer. Ich habe zum Beispiel einen Kumpel, der hat fünf, sechs Synthesizer zu Hause rumstehen, und wir haben auch mal einen Track zusammen produziert, aber irgendwie finde ich es total nervig, kurz aufzustehen, zu sagen, ich hole mir jetzt Chords vom Klavier, die und die Töne oder die und die Spur und … keine Ahnung: Wenn ich alles digital mache in einer Box, dann kann ich direkt alles benutzen, so wie ich es will. Ich glaube, wenn du irgendwann so einen gewissen Geschmack entwickelt hast, greifst du auch immer nur auf die selben Plugins zurück und es geht gar nicht darum, irgendwie groß wild ein Repertoire an Plugins zu haben, sondern dann sagst du: Okay, ich nehme jetzt für meine Baseline den Mini V von Arturia – das reicht dann halt auch!
Ja, und manchmal ist es dann auch so, dass es einfach schneller geht. Ich bin halt sehr ungeduldig, was Musik angeht – das ist eigentlich der Hauptgrund! Ein Nachteil ist wiederum, dass manchmal in den Liedern Modulationen fehlen, also dass man, wenn man jetzt einen analogen Synthesizer hat, gerne mehr ausprobiert und rumspielt.
Was sind derzeit Deine Lieblingsgeräte, Plugins, Instrumente und Effekte?
Auf jeden Fall von Arturia der Mini V. Von Spitfire Audio – die machen eigentlich Orchestermusik und bieten dafür Libraries an – die Labs, das ist kostenlos und da ist unter anderem ein Piano mit drin, was wirklich Orchesterqualität hat – das ist super, um erst mal Ideen zu sammeln. Ich mag den Monark von Native Instruments und von Soniccouture gibt es so Hangdrums, das ist auch so eine Contact-Library. Sonst halt der Echoboy von Soundtoys und den Fabfilter braucht man halt einfach [lacht] – ja, das war’s schon!
Hast Du eine besondere Bearbeitung der Vocals? Worauf verlässt Du Dich dabei?
Die Vocals, die wir jetzt von Sam bekommen haben, haben wir einfach so genommen; wir haben nur noch einen Equalizer und natürlich Hall draufgepackt. Was ich sonst noch ganz gerne manchmal am Ende mache, um den Vocal ausfaden zu lassen, da verwende ich ein Delay und dann kommt ein Pitch-Delay drauf, das hat dann diesen „Bababa“-Effekt.
Sonst benutzen wir in der Regel fertige Samples für Vocals. Zuletzt habe ich aber jemanden kennengelernt, die uns auch Spuren aufgenommen hat – die macht das echt auf einem super Level, aber auch zu Hause mit einem Walt-Mikrofon – und das ist einfach eine tolle Qualität. Also oft ist weniger mehr und das reicht dann schon aus.
Wie läuft bei Dir das Mixing und das Mastering?
Zurzeit haben wir ja bei uns die Einteilung, dass ich sozusagen erst mal einen Song entwickle, Skizzen mache und Mario [die zweite Hälfte von Saive & Kleiber] die Spuren schicke, weil er bei sich zu Hause einen Raum in Studioqualität hat, um die Sachen abzuhören. Er kümmert sich dann um die Mixing-Geschichten und Post-Produktionen, das heißt, wenn ich ihm die Sachen schicke, klingen die noch ziemlich dünn und noch nicht so club-fertig. Er macht das dann alles fett [lacht] und benutzt da auch zigtausend Plugins. Aber wenn ich selber mal Mixdowns mache, dann basiert das größtenteils darauf, dass ich Fabfilter benutze und bei den Drums den Drum Bussvon Ableton, der macht die Sachen manchmal ganz gut laut.
Wo soll es klanglich hingehen? Wo würdest Du gerne noch mehr Erfahrungen sammeln bezüglich Produktionsästhetiken?
Also ich hätte auf jeden Fall mehr Interesse daran, Kollaborationen einzugehen, dass man mehr mit anderen Künstlern zusammenarbeitet, um sich gegenseitig zu inspirieren und auszutauschen. – und vor allem: Klavier zu lernen, da hätte ich sehr Lust drauf!
Und dass bei mir selber die Mixing-Geschichten besser werden; mit Mario zusammen plane ich, effizienter zu arbeiten in der Zukunft, dass wir auch mehr veröffentlichen können im Jahr [lacht]. Und klanglich soll es auf jeden Fall alles melodiöser werden und vielleicht sogar auch ein bisschen weg vom Club-Charakter, dahin, dass die Musik einfach „hörbarer“ wird, sodass man auch sagt: Ich sitze jetzt zu Hause im Sessel und höre mir einfach das Lied an, sodass es nicht immer ein Clublied sein muss.
Ja – und dass man auf jeden Fall experimentierfreudig ist und versucht, seinen eigenen Sound zu kreieren.
Was fehlt gerade noch in Deinem Studio? Jetzt einfach mal Fantasie an und los: Was wünschst Du Dir gerade am meisten? Welche Instrumente, Geräte, Hard- oder Software?
Ein Klavier! Ich weiß nicht, ob es unbedingt ein Klavier sein muss, aber ein großes Midi-Keyboard mit 88 Tasten – das wäre halt cool!
Wie lief der Produktionsprozess des Liedes?
Angefangen hat es so, dass Hannover Produzenten einen Künstler geremixed haben, der eigentlich klassische Musik produziert. Das hat mich auf die Idee gebracht, eben auch mal aus einem klassischen Lied etwas zu samplen und dann habe ich eben die Akkorde gesampled und runtergepitched und das klang ganz cool [lacht]! So ist dann auch diese Akkordfolge zu Stande gekommen; zudem habe ich dann aus dem klassischen Lied diesen atmosphärisch-stehenden Ton kreiert. Genau, und als das stand, ging es es dann letztlich nur noch darum, Drums hinzufügen und dann zu arrangieren. Zum Schluss hat Sam natürlich wunderschöne Vocals eingesungen und so schnell ging das dann.
Welche Bedeutung hat das Lied für Dich? Ist ja ziemlich emotional aufgeladen (Begegnungen, Interaktionen, intensive und persönliche Gefühle!) In wie fern spricht es Dich emotional an?
Also ich würde meinen, dass ich allgemein Musik mache, um meine Gefühle auszudrücken und dabei in eine Welt abtauche, die sozusagen nur ich verstehe und quasi versuche, irgendetwas damit auszudrücken – ich weiß aber nicht, was!
Das zieht sich durch jede Musik, die ich produziere; deswegen habe ich ehrlich gesagt zum Produzieren selber und zum Musikmachen an sich einen Bezug, aber nicht zu den einzelnen Songs, weil ich sie eher als Produkte sehe, die entstanden sind. Das ist ein schöner Faktor an der ganzen Sache, aber die eigentliche Geschichte ist dann das Musikmachen an sich – so würde ich das beschreiben. Die Produktionen spiegeln so ein bisschen die aktuelle Gefühlslage wider, so kann man es vielleicht sagen. Also ich bin natürlich froh, dass das entstanden ist, weil es in meinen Augen eine ganz andere Musik ist, die wir normalerweise nicht machen; es geht ja schon eher in Richtung Electro-Pop, würde ich fast meinen, gleichzeitig ist sie aber auch tanzbar!
Wie gefallen Dir denn die Remixe?
Ich war echt überrascht, wie unterschiedlich die Künstler den Song interpretiert haben: Es sind ja komplett verschiedene Ergebnisse dabei entstanden – aber alle produktionsmäßig on point, da war ich richtig baff. Da merkt man dann auch immer, wie viele gute Künstler existieren [lacht]!
Am Ende unseres Gespräches fügt er abschließend noch mit einem Grinsen hinzu, dass die technischen Details zwar von Bedeutung sind, es aber letzten Endes einfach gut klingen muss. In diesem Sinne – zurück zum aktuellen Projekt und viel Freude beim Umsetzen der vorgestellten Tipps!
Liste der Instrumente, Plugins und Effekte:
Instrumente:
Mini V [Minimoog-Klon] von Arturia
Labs [diverse Instrumente] von Spitfire Audio
Monark [Synthesizer] von Native Instruments
Pan Drums [Handpan, Perkussion] von Soniccouture
Plugins und Effekte:
Echoboy [Delay] von Soundtoys
Fabfilter [Effekt-Bundle]
Pro-Q3 [Equalizer] von Fabfilter
Drum Buss [Kompressor] von Ableton